Dem Fehlstart folgt die Aufholjagd: Germanen haben nach einer knappen Niederlage im Final-Hinkampf gegen Aalen noch alle Chancen

Rene Zimmermann ballte die Faust. Mit einem 3:0 über Patric Nuding zu Beginn der zweiten Hälfte hatte der "geilste Ossi der Liga" seine Germanen zurück ins Rennen geholt und eine unglaubliche Aufholjagd eingeleitet. Überhaupt durchlebten die Weingartener im ersten Finale ihrer über 100-jährigen Vereinsgeschichte ein Wechselbad der Gefühle und unterlagen dem KSV Aalen 2005 am Ende nur denkbar knapp mit 18:20.

Nachdem sie mit einem 20:17-Erfolg im Halbfinal-Rückkampf beim KSV Köllerbach ihren erstmaligen Einzug in die Endkämpfe um die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft klar gemacht hatten, strotzten die Germanen nur so vor Selbstvertrauen und wollten auch dem langjährigen Rivalen aus Aalen alles abverlangen. In unzähligen Stunden ehrenamtlicher Arbeit hatten die Mitglieder des SVG das Hallensportzentrum Bretten in eine Ringsportarena verwandelt, die eines solchen Finals nicht würdiger hätte sein können. Die Matte wurde um knapp einen Meter erhöht und ringsherum fieberten weit über 2.000 Zuschauer dem definitiv größten Ereignis in der Geschichte des SV Germania entgegen. Nach einem spektakulären und unterhaltsamen Vorprogramm, der deutschen Nationalhymne sowie der Begrüßung zahlreicher Ehrengäste aus Sport und Politik konnte es dann auch endlich los gehen. Während die Germanen erneut auf den ukrainischen Europameister und Vize-Olympiasieger Andrej Stadnik verzichten mussten, schickte der KSV Aalen seine absolute Bestbesetzung auf die Matte. Die Taktik der Gäste, den Armenier Arsen Julfalakyan draußen zu lassen und den einzigen Nicht-EU-Platz in der Aufstellung stattdessen mit dem Georgier Amiran Elbakidze zu besetzen, sollte dabei voll aufgehen. Bei den Germanen wurde unterdessen nur in der Klasse bis 66 kg Freistil lange gepokert. Die Entscheidung, den Ungarn Gergö Wöller und nicht den Albaner Sahit Prizreni zu bringen, fiel dabei in buchstäblich letzter Sekunde. Nun aber zum eigentlichen Kampfverlauf ...

Die Germanen erlebten bei diesem Final-Hinkampf einen klassischen Fehlstart. Christoph Ewald hatte gegen den oben erwähnten Amiran Elbakidze nicht den Hauch einer Chance und wurde nach allen Regeln der Kunst auseinander genommen. Als dem Weingartener wenige Sekunden vor dem Ende der dritten Runde dann doch noch eine Wertung gelang, schien die drohende 0:4-Niederlage abgewendet zu sein. Elbakidze schlug allerdings nochmal zurück und sicherte sich mit dem Schlussgong einen Sieg durch technische Überlegenheit. Wie schon vor zwei Wochen gegen Köllerbach lag es also an Superschwergewichtler Mihaly Deak-Bardos, den Schnitzer eines Teamkollegen auszubügeln und die Germanen zurück in die Erfolgsspur zu holen. Ihm gegenüber stand Ralf Böhringer. Griechisch-römisch-Bundestrainer Mike Bullmann wäre beim Auftritt des Aaleners wohl am liebsten im Boden versunken. Die Tatsache, dass der an Passivität wieder einmal nicht zu überbietende Böhringer die deutsche Nummer zwei in der 120 kg-Klasse ist, muss einem jedenfalls ernsthaft zu denken geben. Der Aalener konnte sich aber trotz achtminütiger Arbeitsverweigerung eine Runde sichern und unterlag dem verzweifelten Deak-Bardos am Ende nur mit 1:3. Eine taktische Meisterleistung zeigte hingegen der Ungar Peter Modos. Der Griechisch-römisch-Spezialist des KSV Aalen ließ gegen Oleg Boikov keine einzige Wertung zu und schaffte im dritten Kampfabschnitt sogar einen Ausheber. Boikov blieb nichts anderes übrig, als die defensiv bärenstarke Leistung seines Kontrahenten anzuerkennen und ihm letztlich alle drei Zähler zu überlassen. Einen tollen Fight lieferten sich anschließend der junge Johannes Kessel und der amtierende Deutsche Meister der 96 kg-Klasse, Stefan Kehrer. Kessel lag bereits mit 1:2 Runden im Rückstand, rettete sich durch ein knappes 1:0 im vierten Durchgang aber noch in die alles entscheidenden letzten zwei Minuten. Hier kämpften beide Athleten nicht nur mit ihrem Gegner, sondern auch mit den schwindenden Kräften. Kehrer hatte das bessere Ende für sich und durfte einen hart erarbeiteten 3:2-Erfolg bejubeln, Kessel wurde vom Weingartener Publikum dennoch mit großem Applaus verabschiedet. Im letzten Kampf vor der Pause drohten den Germanen dann aber endgültig die Felle davon zu schwimmen. Gergö Wöller war dem in dieser Saison noch ungeschlagenen Anatolij Guidea jedenfalls klar unterlegen und zog sich zu allem Überfluss in der dritten Runde auch noch eine Schulterverletzung zu. Der Ungar konnte sich gegen die pfeilschnellen Angriffe Guideas daraufhin nicht mehr wehren und verlor mit 0:3 Punkten.

So groß die Enttäuschung der Germanen über diese verkorkste erste Halbzeit war, so beeindruckend war auch ihre Aufholjagd im zweiten Teil des Abends. Rene Zimmermann hauchte den Fans mit seinem 3:0 über Patric Nuding wieder neue Hoffnung ein und brachte die Halle erstmals so richtig zum Beben. Ionut Panait nutzte die Euphorie und zeigte gegen den Ex-Germanen Christian Fetzer eine starke Leistung. Den verkehrten Ausheber des amtierenden Deutschen Meisters in der Klasse bis 66 kg wusste der Rumäne geschickt zu verhindern und einen Dreher konnte er ebenfalls durchbringen. Am Ende freute sich "Johnny" über einen verdienten 3:1-Erfolg. Arpad Ritter musste hingegen erkennen, dass er seinen Zenit allmählich erreicht und eventuell sogar schon überschritten hat. Der inzwischen 34-jährige frühere Europameister war gegen Aalens Ausnahmekönner, den mehrfachen Deutschen Meister und ligaweit gefürchteten Davyd Bichinashvili, schon nach der zweiten Runde mit seinen Kräften am Ende. Der gleichaltrige Bichinashvili dagegen punktete munter weiter und sicherte sich letztlich einen verdienten 3:1-Sieg. Szabolcs Laszlo nahm unterdessen erneut den Platz im 74 kg-Limit ein und traf auf den technisch versierten Emzarios Bentinidis. Ging die erste Runde noch an den Aalener, schien er in der zweiten konditionell schon wieder einzubrechen und kam mit insgesamt 0:7 Punkten unter die Räder. Im vierten Durchgang meldete sich Bentinidis plötzlich aber wieder zurück und so kam es doch noch zu einer entscheidenden fünften Runde. Hier hatte Laszlo dann die größeren Kraftreserven und konnte einen im Vorfeld nicht unbedingt erwarteten 3:2-Erfolg über die Zeit retten. Im abschließenden Kampf des Abends war Adam Juretzko seinem Widersacher Hans-Jörg Scherr klar überlegen, verpasste aber einen noch höheren und wichtigen Sieg für seine Mannschaft. Das 3:0 des "Commanders" war zu keinem Zeitpunkt des Duells gefährdet und bedeutete somit einen Endstand von 18:20 zu Gunsten des KSV Aalen.

Vor dem Rückkampf am kommenden Samstag in der Aalener Greuthalle ist also noch alles offen und mit der Unterstützung ihrer Fans könnte es den Germanen durchaus gelingen, den Spieß umzudrehen. Der Traum vom erstmaligen Gewinn der Deutschen Mannschaftsmeisterschaft könnte tatsächlich wahr werden und selbst im Falle einer Niederlage, hätten die Weingartener keinen Grund, traurig zu sein. Schon jetzt ist es die erfolgreichste Saison, die eine Mannschaft des SV Germania jemals gerungen hat. Hut ab, Germanen!

(lother)

Die Einzelergebnisse im Überblick

KlasseSV Germania WeingartenKSV Aalen 2005R1R2R3R4R5Gesamt
55F Christoph Ewald Amiran Elbakidze 1:70:31:3 0:4
120G Mihaly Deak-Bardos Ralf Böhringer 1:01:00:11:0 3:1
60G Oleg Boikov Peter Modos 0:10:10:2 0:3
96F Johannes Kessel Stefan Kehrer 1:32:01:21:00:1 2:3
66F Gergö Wöller Anatoli Guidea 0:10:10:7 0:3
84G Rene Zimmermann Patric Nuding 1:01:01:0 3:0
66G Ionut Panait Christian Fetzer 0:11:01:01:0 3:1
84F Arpad Ritter David Bichinashvili 2:11:30:30:4 1:3
74F Szabolcs Laszlo Emzarios Bedinidis 0:27:02:00:42:1 3:2
74G Adam Juretzko Hans-Jörg Scherr 3:02:04:0 3:0
Endergebnis: 18:2030.01.2010

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